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Blut verbindet alle

GTH-Kongress aktuell

07.03.2023

Bericht über die wichtigsten Themen

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Eines der großen Themen auf dem diesjährigen Kongress der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), die vom 21. - 24. Februar im Kongresszentrum der Messe Frankfurt stattfand, war die Gentherapie der Hämophilie A und B. Während die Gentherapie der Hämophilie A schon im letzten Jahr durch die europäische Zulassungsbehörde (EMA) für die EU zugelassen worden war (Roctavian, Valoctogene Roxaparvovec), kam im Februar 2023 die Nachricht, dass auch für die Hämophilie B eine Gentherapie durch die EMA zugelassen wurde (Hemgenix, Etranacogen Dezaparvovec).

Trotz der Zulassung durch die Behörden sind aber bisher keine Hämophiliepatienten in Deutschland außerhalb von Zulassungsstudien behandelt worden. Dies liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Bezahlung durch die Krankenkassen, die derzeit mit den Herstellern verhandeln, noch weitgehend ungeklärt ist.

Diese neue Therapieform bedeutet zwar keine Heilung, aber zumindest für einige Zeit (Jahre) eine deutliche Verminderung der Blutungsneigung mit Unterbrechung der prophylaktischen Faktortherapie. Es bleiben aber weiter etliche Fragen offen:

  1. Die Gentherapie funktioniert mit den derzeitigen Genfähren (Vektoren) nur bei Erwachsenen!
  2. Es gibt eine Vielzahl von Kriterien, die Patienten von der Therapie derzeit ausschließen (z.B. Antikörper gegen AAV, Ablehnung einer Register-Teilnahme, mangelnde Compliance uvm.).
  3. Die in den Studien erreichten Spiegel für Faktor VIII und FIX waren individuell nicht vorhersagbar und zeigen deutliche Schwankungen.
  4. Der zeitliche Erfolg insbesondere bei der Hämophilie A ist begrenzt. Die produzierten Faktor VIII-Werte über die Jahre nehmen bei den meisten Patienten kontinuierlich ab.
  5. Eine große Zahl der gentherapierten Menschen mit Hämophilie mussten in den Studien teils für viele Monate mit Immunsuppressiva (z.B. Cortison) behandelt werden (mit entsprechenden Nebenwirkungen).
  6. Im ersten halben Jahr nach dem Gentransfer sind Einschränkungen im Leben notwendig (z.B. kein Alkohol, Benutzung von Kondomen u.a.) sowie häufige ärztliche Kontrollen.
  7. Bezüglich der Sicherheit der Therapie gibt es derzeit keine Probleme (4 Fälle von onkologischen Erkrankungen in den Studien konnten bei sehr ausführlichen Untersuchungen nicht mit der Gentherapie in Verbindung gebracht werden).
  8. Während der Tagung berichteten mehrere Patienten über die erfolgreiche Gentherapie mit deutlicher Besserung der Lebensqualität und teilweise auch Verbesserung der Gelenksituationen. Alle waren der Meinung, sie würden es wieder machen. Dies ist aber mit den derzeitigen Vektoren wegen der Antikörperbildung nicht möglich.

Das zweite große Thema war Emicizumab. Hemlibra ist derzeit zugelassen zur Prophylaxe für Menschen mit schwerer und mittelschwerer Hämophilie A sowie Hämophilie A mit Inhibitoren (Hemmkörpern). In den vorgestellten Studien zeigte sich ein sehr gutes Ansprechen mit deutlicher Verminderung der jährlichen Blutungsraten und vor allem auch in der Verminderung der jährlichen Gelenkblutungsrate. Der Vorteil ist die subkutane Gabe, so dass eine Venenpunktion überflüssig wird. Einige Patienten berichten aber über deutliche lokale Reaktionen an den Einstichstellen. Insgesamt scheint die Adhärenz durch die einfache Therapieform deutlich gebessert. Bei älteren Patienten zeigt sich mitunter nach Besserung der Gelenkbeschwerden eine teilweise höhere Aktivität bei weniger Schmerzen.

Da Hemlibra ab der Geburt (also auch bei Säuglingen) zugelassen ist (hier gibt es inzwischen auch vermehrte Behandlungszahlen), könnten auch solche Patienten mit Hemlibra behandelt werden (wenn die Diagnose bei Geburt bekannt ist), um z.B. eine Hirnblutung zu vermeiden. Derzeit gibt es keine einheitliche Meinung, wie bei einer frühen Therapie mit Hemlibra eine Toleranz gegenüber Faktor VIII erreicht werden kann. Bei unter Hemlibra-Therapie auftretenden Blutungen kann gut mit Faktor VIII-Präparaten behandelt werden. Ob dabei aber vermehrt Inhibitoren auftreten, ist derzeit unklar. Ein Problem könnte auch sein, dass die Patienten/Eltern das „Spritzen“ verlernen, und so in Notfallsituationen längere Zeit bis zur Faktorgabe vergeht.

Allgemeines:

Die WFH (World Federation of Hemophilia) hat die „Guidelines“ zur Prophylaxe neu definiert:

Die reguläre Faktorgabe (Prophylaxe) hat das Ziel, Blutungen zu vermeiden, und soll dem Menschen mit Hämophilie eine Lebensqualität vergleichbar zu „Nicht-Hämophilen“ ermöglichen. Die Prophylaxe sollte individuell auf den Patienten und seine Bedingungen und Anforderungen sowie auf das Lebensalter angepasst werden.

Es gibt eine ganze Reihe neuer Medikamente für Patienten mit Hämophilie A und B mit und ohne Hemmkörper, die subkutan gegeben werden können, die derzeit aber noch nicht zugelassen sind.

Ein neues Faktor VIII-Präparat wurde im Februar 2023 in den USA zugelassen: „Altuviiio“ (Efanesoctocog alfa) mit einer deutlich verlängerten Halbwertszeit. Dies wird derzeit noch von der EMA bewertet und dann hoffentlich bald ebenfalls in der europäischen Union zur Verfügung stehen.

Günter Auerswald (Stellv. Vorsitzender der DHG)