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Blut verbindet alle

Pressemitteilung

29.10.2010

Rösler-Ministerium verweigert Bluterkranken Akteneinsicht nach Informationsfreiheitsgesetz (IFG)

PRESSEMITTEILUNG
Hamburg, 27. Oktober 2010

Rösler-Ministerium verweigert Bluterkranken Akteneinsicht nach Informationsfreiheitsgesetz (IFG) - das Bundesjustizministerium gibt dagegen "grünes Licht"

Für die einen ist es ein rein technokratischer Vorgang, für die anderen die Hoffnung auf Aufklärung und ein wenig Gerechtigkeit. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verweigert der Deutschen Hämophiliegesellschaft (DHG) Einblick in Akten, die sich mit Entschädigungsforderungen von Hämophilen (Blutern), die in der Vergangenheit mit durch Hepatitis C-Viren (HCV) kontaminierten Gerinnungspräparaten behandelt worden waren, befassen. Der so genannte „Bluterskandal“ hatte damals bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Die DHG kämpft seit Jahren für eine Entschädigung für HCV infizierte Bluter, von denen bereits über 100 an den Folgen der Infektion verstorben sind. In vielen anderen europäischen Ländern wird den Opfern eine Entschädigung gewährt.

Die DHG hatte im März dieses Jahres beim BMG und BMJ Akteneinsicht beantragt und dies u.a. mit dem Verdacht begründet, das BMG habe in seinen Stellungnahmen die HCV-Infektionen betreffenden Sachverhalte aus dem Abschlussbericht des HIV-Untersuchungsausschusses des Bundestages (BT-Drucksache 12/8591) falsch und unvollständig dargestellt.

Das Rösler-Ministerium hat die Einsicht in diese Akten mit der Begründung abgelehnt, die in den Akten befindliche Korrespondenz, die die Zusammenarbeit des Ministeriums mit den Ausschüssen des Deutschen Bundestages oder der Ressorts untereinander betreffe, sei als Regierungshandeln einzustufen. Sie beträfen dadurch den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und seien für schutzwürdig zu halten: somit also tabu für diejenigen, die gesundheitlichen Schaden davon getragen haben.

Das Bundesjustizministerium sieht dies anders. Die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung genieße nur einen „relativen“ Schutz. Dort sieht man „bei abgeschlossenen Vorgängen, wie hier gegeben, [...] die Schutzbedürftigkeit des Regierungshandelns nur noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der funktionsnotwendigen freien und offenen Willensbildung innerhalb der Regierung“. Anhaltspunkte dafür lägen hier nicht vor: somit also grünes Licht für die DHG, sich durch stapelweise Aktenordner zu arbeiten.

In einem Schreiben an Bundesminister Rösler bittet die DHG nun um Stellungnahme dazu, wie zwei Bundesministerien zu einer höchst unterschiedlichen Auslegung des IFG kommen können. Erläutert wird auch die Widerspruchsbegründung gegen den BMG-Bescheid (Schreiben als Anlage beigefügt). Die DHG verweist darauf, dass es bei der Einsicht in die abgeschlossenen Vorgänge um Informationen gehe, die für Gesundheit und Leben von Menschen wichtig seien. Bis heute litten Menschen unter schwersten körperlichen Behinderungen und Krankheiten, die möglicherweise auf diesen lange zurückliegenden Vorgängen beruhten.

„Was ist hier wichtiger? Menschen, denen es schlecht geht und die körperlich geschädigt sind, ein Recht einzuräumen oder unbequeme Fragen und eine mögliche Mitverantwortung staatlicher Stellen abzuwehren?“, so fragt Werner Kalnins, Vorsitzender des Vorstands der DHG.