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Blut verbindet alle

Forderungen der BAG SELBSTHILFE

11.05.2009

an die Parteien zur Bundestagswahl 2009

Was wir wollen – Forderungen der BAG SELBSTHILFE
an die Parteien zur Bundestagswahl 2009

Die Arbeit der BAG SELBSTHILFE bezieht sich auf drei wichtige Bereiche: Wir kümmern uns einmal um eine gerechte Gesundheitspolitik für behinderte und chronisch kranke Menschen in Deutschland, zum Zweiten setzen wir uns dafür ein, dass behinderte Menschen überall am Leben in der Gesellschaft teilnehmen können und wir sorgen drittens dafür, dass Menschen, die ehrenamtlich arbeiten, dies auch gut tun können.

Gesundheitspolitik

Besonders wichtig ist für die BAG SELBSTHILFE, dass das Gesundheitssystem in Deutschland auch weiterhin solidarisch ist und alle Menschen im Krankheitsfall die gleiche medizinische Versorgung erhalten, egal, wie oft sie zum Arzt müssen und wie viel Geld sie verdienen.

Menschen, die eine chronische Krankheit haben, sind für eine Krankenkasse natürlich teurer, als jemand, der nur ab und zu zum Arzt muss. Nun erhalten die Krankenkassen für diese teuren Patienten einen Ausgleich aus einem Gemeinschaftstopf. Allerdings bekommen die Krankenkassen nur für ganz bestimmte und sehr wenige dieser oft unheilbaren Krankheiten Geld aus dem Topf. Für Menschen, die eine Krankheit haben, die nicht in diese Liste aufgenommen wurde, bedeutet das, dass sie schlechter behandelt werden als andere. Die BAG SELBSTHILFE fordert, dass alle chronischen Krankheiten in die Liste aufgenommen werden.

Schwierig ist für behinderte Menschen auch, genau das Hilfsmittel zu bekommen, das sie wirklich brauchen und das zu ihnen passt. Wenn zum Beispiel jemand eine neue Prothese braucht, kann er nicht mehr mit dem Rezept zu seinem gewohnten Orthopädietechniker gehen, sondern muss die Prothese des preiswertesten Anbieters nehmen. Die sitzt dann vielleicht nicht ganz genau und verursacht Druckstellen und Schmerzen. Da eine Prothese aber kein T-Shirt ist, fordern wir, dass behinderte Menschen – wie früher – die Hilfsmittel bekommen, die genau zu ihnen passen.

Ungerecht für behinderte und chronisch kranke Menschen ist auch, dass immer wieder geändert wird, wie viel ein Patient für ein Medikament zuzahlen muss. Oft wissen nicht einmal die Ärzte genau Bescheid. Natürlich steigt die Zahl der Medikamente, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Da behinderte und chronisch kranke Menschen meist mehr Medikamente benötigen, auf der anderen Seite wegen ihrer Behinderung oder Krankheit nicht oder nur wenig arbeiten, sind sie besonders hart von den Zuzahlungen betroffen.

Ein weiteres Problem ist, dass bestimmte Medikamente nur für eine bestimmte Krankheit verschrieben werden dürfen. Jetzt kann es aber sein, dass beispielsweise ein verschreibungspflichtiges Medikament gegen Schmerzen ganz besonders gut bei einer seltenen Hauterkrankung hilft. Die Ärzte stehen vor dem Problem, dass sie auf der einen Seite Medikamente nur für Krankheiten verschreiben dürfen, für die sie auch gedacht sind, auf der anderen Seite aber verpflichtet sind, Menschen zu helfen. Jetzt kann der Patient das Medikament auch über ein Privatrezept aus eigener Tasche bezahlen, muss gleichzeitig aber auf eigenes Risiko entscheiden, ob er das Medikament, das eigentlich gar nicht gegen seine Krankheit entwickelt wurde, tatsächlich nehmen will. Damit Patienten größere Sicherheit erhalten und nicht nur über Privatrezepte versorgt werden, muss endlich eine verständliche und gültige Regelung gefunden werden.

Wichtig ist für die BAG SELBSTHILFE auch, dass die Vorbeugung und Verhinderung von Krankheiten nicht nur für gesunde Menschen gilt, sondern auch für chronisch kranke und behinderte. Darum fordern wir, dass das seit Langem geplante Präventionsgesetz endlich verabschiedet wird.

„Integrierte Versorgung“ ist die Vernetzung von Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen bei der Behandlung kranker Menschen. Sie soll dazu führen, unnütze Kosten einzusparen, die beispielsweise entstehen, wenn von jedem Arzt ein und dieselbe Untersuchung immer wieder durchgeführt wird. Allerdings darf die Qualität bei der Behandlung nicht aus den Augen verloren werden. Damit das nicht passiert, müssen die Patientenorganisationen wie die BAG SELBSTHILFE die Möglichkeit erhalten, bei den Verträgen zwischen den einzelnen Anbietern mitzuwirken.

Die elektronische Gesundheitskarte soll in Zukunft die Krankenversicherungskarte ersetzen. Auf der elektronischen Gesundheitskarte sollen neben den persönlichen Daten wie Name, Anschrift usw. auch Informationen über Krankheiten, Behandlungen und Medikamente gespeichert werden können. Für die BAG SELBSTHILFE ist wichtig, dass die Patientinnen und Patienten darüber entscheiden, welche Daten gespeichert werden und an wen sie weitergegeben werden. Sie fordert die Politik auf, für den notwendigen Datenschutz zu sorgen und Missbrauch zu verhindern.

Wenn im Verlauf einer Schwangerschaft festgestellt wird, dass das erwartete Kind eine Behinderung hat, kann die Schwangerschaft noch bis zur 23. Schwangerschaftswoche abgebrochen werden. Die BAG SELBSTHILFE fordert, dass zwischen der Diagnose der Behinderung und dem meist üblichen Abbruch der Schwangerschaft eine ausführliche und umfassende Beratung eingeführt werden soll, damit die Eltern Zeit haben, darüber nachzudenken, ob sie die Schwangerschaft wirklich abbrechen wollen.

Zurzeit ist es so, dass die Krankenkassen pro Versicherten 57 Cent für die Selbsthilfearbeit ausgeben sollen. Das funktioniert aber leider nicht so, wie es sich die Selbsthilfeorganisationen behinderter und chronisch kranker Menschen wünschen. Ein großes Problem ist, dass die gemeinnützigen Selbsthilfeverbände oft gar nicht genau wissen, nach welchen Regeln die Krankenkassen das Geld zur Verfügung stellen oder nicht. Die BAG SELBSTHILFE fordert, dass die Krankenkassen verpflichtet werden, ihre Förderung für jeden offen, verständlich und nachvollziehbar zu machen.

Damit die Gesundheitspolitik in Deutschland auch für behinderte und chronisch kranke Menschen gerecht ist, müssen die BAG SELBSTHILFE und ihre Mitgliedsverbände in allen wichtigen Gremien nicht nur mitarbeiten, sondern auch mitbestimmen können. Auch fordert die BAG SELBSTHILFE, dass Patienten das Recht erhalten, ihre eigenen Krankenunterlagen einzusehen und vor Operationen umfassend beraten zu werden. Das ist bis jetzt noch nicht rechtlich geregelt.

Behinderte Menschen – überall dabei

In den vergangenen Jahren sind viele Gesetze in Kraft getreten, die die Rechte behinderter Menschen stärken. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich erst im März verbindlich verpflichtet, das Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen. Diese Regelungen beruhen auf so wichtigen Gedanken wie Würde, Selbstbestimmung, Nichtdiskriminierung, Teilhabe, Respekt vor der Unterschiedlichkeit, Chancengleichheit, Barrierefreiheit und Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass es zwar gute Gesetze gibt, diese aber noch nicht in die Praxis umgesetzt wurden.

Ein wichtiger Bereich ist beispielsweise die Barrierefreiheit. Der BAG SELBSTHILFE geht es nicht nur darum, dass Gebäude, öffentliche Verkehrsmittel und Arztpraxen so gestaltet werden, dass jeder und jede sie nutzen kann. Es muss auch möglich sein, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten Verwaltungstexte verstehen, blinde Menschen eine Bedienungsanleitung lesen und Gehörlose alle Sendungen im Fernsehen verfolgen können.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die schulische Bildung. Die BAG SELBSTHILFE fordert, dass die Eltern behinderter Kinder selbst entscheiden können, welche Schule ihre Kinder besuchen. In allen Schulen Deutschlands muss die gleiche sonderpädagogische Förderung angeboten werden, damit behinderte Schülerinnen und Schüler die Regelschule besuchen können.

Wenn behinderte Menschen uneingeschränkt am Leben in der Gesellschaft teilnehmen können sollen, dann kann es nicht sein, dass sie auf eigenes Einkommen und Vermögen verzichten müssen, um beispielsweise Zuschüsse für einen persönlichen Assistenten zu erhalten, der sie dabei unterstützt, an eben diesem Leben teilzunehmen. Das Leben mit einer Behinderung ist sowieso von vielen Benachteiligungen und höheren Kosten geprägt. Die BAG SELBSTHILFE fordert, dass zum Ausgleich per Gesetz ein umfassendes Unterstützungssystem zur Verfügung gestellt wird.

Leider ist das Sozialgesetzbuch IX, das die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen am Leben in unserer Gesellschaft ermöglichen soll, seinem Anspruch nicht gerecht geworden. Ein Grund dafür ist, dass für unterschiedliche Leistungserbringer ganz unterschiedliche und vor allem vorrangige Gesetze gelten, die die Regelungen im Sozialgesetzbuch IX dann einschränken. Die BAG SELBSTHILFE fordert, die Gesetze zu vereinheitlichen, damit das Sozialgesetzbuch zu einem selbstbestimmten Leben behinderter Menschen in unserer Gesellschaft beitragen kann.

Die Arbeitslosigkeit unter behinderten Menschen ist nach wie vor viel zu hoch. Finanzielle Hilfen, die die Beschäftigung behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fördern sollen, werden viel zu zögerlich gewährt. Die Beschäftigten in den Werkstätten für behinderte Menschen verdienen nur ein Taschengeld und nur sehr wenige schaffen den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die BAG SELBSTHILFE fordert daher, die aktive Arbeitsförderung zur Pflicht zu machen. Die Integrationsfachdienste, die bei der Arbeitsvermittlung und bei der Arbeitsplatzerhaltung für Arbeitgeber und behinderte Menschen besonders wichtig sind, müssen genug Geld für ihre Vermittlungsarbeit bekommen. Nur so erhalten behinderte und chronisch kranke Menschen die Chance, selbst für ihren Unterhalt zu arbeiten.

Ehrenamt

Das freiwillige bürgerschaftliche Engagement in den Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens hat eine große Bedeutung im Bereich der Versorgung behinderter Menschen. Um sicherzustellen, dass das ehrenamtliche Engagement auch in der Zukunft seine Aufgaben erfüllen kann, muss die finanzielle Unterstützung ausgebaut und verbessert werden. Auch fordert die BAG SELBSTHILFE, dass es den in der Selbsthilfe engagierten Menschen in Zukunft besser möglich sein muss, u. a. steuerliche Vergünstigungen für persönliche Aufwendungen geltend zu machen.

Seit geraumer Zeit bemüht sich die BAG SELBSTHILFE darum zu erreichen, dass neben den Organisationen der freien Wohlfahrtspflege auch die Organisationen behinderter und chronisch kranker Menschen gleichberechtigt in das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) aufgenommen werden. Wir halten diese Ungleichbehandlung der Organisationen behinderter und chronisch kranker Menschen im Verhältnis zu den in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände für eine Diskriminierung. Wir fordern daher die Gleichbehandlung der Selbsthilfeorganisationen mit denen der freien Wohlfahrtspflege, damit wir zukünftig ebenfalls als Träger des freiwilligen sozialen Jahres anerkannt werden.

(ACHSE e.V.)