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Hämophile Arthropathie

Hämophile Arthropathie beschreibt Gelenkveränderungen im Rahmen einer Hämophilie. Hierbei handelt es sich um ein Wechselspiel zwischen Entzündungsreaktionen des Knorpels und der Gelenkschleimhaut, welche zu einer Zerstörung des Gelenks führen. Der Begriff leitet sich ab aus Blutung (haima) und Neigung (philia) (= Hämophilie) sowie Gelenk (arthron) und Leiden (pathos) (= Arthropathie). Es handelt sich demnach um ein Gelenkleiden im Rahmen einer Blutungsneigung.

Der Auslöser für die Entstehung einer hämophilen Arthropathie ist die Einblutung in das Gelenk. Hierdurch kommt es neben der direkt schädigenden Wirkung des Blutes auf den Gelenkknorpel durch Eisenablagerungen zur Initiierung einer Entzündungsreaktion der Gelenkschleimhaut. Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: (1) Eisenablagerungen (Hämosiderin), (2) Entzündungsstoffe, (3) körpereigene Fresszellen des eigenen Immunsystems (Makrophagen), (4) übermäßige Aktivierung von wachstumsfördernden Genen („Onkogene“) sowie (5) überschießendes Gefäßwachstum in der Gelenkschleimhaut.

Die genannten Veränderungen erhöhen die Verletzlichkeit der Gelenkschleimhaut. Daraus folgt das erhöhte Risiko einer erneuten Blutung, welche wiederum eine weitere Zerstörung des Knorpels und eine Entzündungsreaktion auslöst, sodass auch von einem „Teufelskreis“ gesprochen wird.

Durch wiederholte Einblutungen und andauernde Entzündungen kommt es zu einem Verlust des Knorpels im Gelenk und im Spätstadium zu einer Deformierung der Gelenkpartner. Die hämophile Arthropathie ist jedoch auch durch Veränderungen außerhalb des Gelenks gekennzeichnet: Zunächst kommt es reflektorisch über eine Schonhaltung zu einer Fehlfunktion der Muskulatur, die später in Verkürzungen derselben sowie einer Schrumpfung der Gelenkkapsel resultieren kann. Eine dauerhafte Bewegungseinschränkung führt zu einer Fehl- und Mehrbelastung, die einen weiteren Knorpelverlust nach sich zieht.

Das Krankheitsbild der hämophilen Arthropathie ist gekennzeichnet durch anfangs wiederkehrende Schwellungen, Schmerzen und Fehlfunktionen des Gelenks. Im Spätstadium zeigen sich eine Verminderung und Verkürzung der Muskulatur, Fehlstellungen, deutliche Einschränkung der Beweglichkeit, ein Reiben des Gelenks bei Bewegung und Schmerzen.

Zur Therapie der hämophilen Arthropathie im Frühstadium sei auf die Leitlinie „Synovitis bei Hämophilie“ verwiesen (siehe auch www.leitlinie-synovitis.de). Ziel der Therapie ist es, zunächst den „Teufelskreis“ zu durchbrechen, weitere Einblutungen zu vermeiden und die Entzündungsreaktion zu reduzieren. Erreicht wird dies durch ausreichende und regelmäßige Substitution mit Gerinnungsfaktoren, welche auch prophylaktisch, also vorsorglich, gegeben werden sowie den Einsatz von entzündungshemmenden Medikamenten. Zur Reduktion der überschießenden und entzündlich veränderten Gelenkschleimhaut kann eine Radiosynoviorthese oder auch eine operative Intervention, z.B. eine arthroskopische, minimal-invasive Entfernung der Gelenkschleimhaut notwendig sein.

Verkürzungen der Muskulatur und Gelenkkapsel sowie gestörte Bewegungsabläufe der Gelenke werden mit Physiotherapie behandelt. Weiterhin sollte jeder Patient mit Hämophilie regelmäßig ein selbständiges Übungsprogramm durchführen, um Muskulatur aufzubauen und/oder zu erhalten, Gelenke zu stabilisieren, Bewegungsabläufe zu trainieren und die Beweglichkeit zu erhalten. Eine regelmäßige orthopädische Untersuchung des Bewegungsapparats bei Patienten mit Hämophilie ist obligatorisch, um frühzeitig Einschränkungen der Gelenkfunktion und krankhafte Bewegungsmuster zu erkennen und zu behandeln.

Im Spätstadium sind bei Beschwerden oftmals operative Maßnahmen notwendig. Hierzu zählen vor allem der Ersatz der Gelenke mit Endoprothesen, Korrekturoperation wie etwa die Veränderung der Beinachse zur Entlastung oder auch die Versteifung eines Gelenks, welche vor allem bei fortgeschrittener Zerstörung des Sprunggelenkes Anwendung findet.

PD Dr. med. B. Habermann